E. Bäschlin u.a. (Hrsg.): Emmental

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Titel
Emmental.


Autor(en)
Bäschlin, Elisabeth; Wiedemar, Hans
Herausgeber
Bäschlin, Elisabeth; Wiedemar, Hans
Reihe
Jahrbuch der Geographischen Gesellschaft von Bern
Erschienen
[Bern] 2017: Geographische Gesellschaft Bern
Anzahl Seiten
254 Seiten
von
Raphael Singeisen

Der 65. Band des Jahrbuches der Geographischen Gesellschaft Bern widmet sich dem Emmental, einer Region, die häufig als typisch für den Kanton Bern bezeichnet wird. Die Herausgeber wollen keine umfassende landeskundliche Darstellung des Emmentals vorlegen, sondern präsentieren zwölf Beiträge aus verschiedenen Themenbereichen, nicht nur aus der Geografie. Der räumliche Schwerpunkt liegt dabei im oberen Emmental, während das untere Emmental und der Raum Burgdorf nur gestreift werden. Zahlreiche Artikel entstanden aus Forschungs- und Abschlussarbeiten am Geographischen Institut der Universität Bern.

Zwei Beiträge befassen sich mit der natürlichen Umwelt des Emmentals, nämlich den Veränderungen des Waldes in den letzten zweihundert Jahren und der Geschichte der Hochwasser. Der dominante, landschaftsprägende Nadelholzwald wird heute vermehrt in gemischte, natürlich verjüngte Bestände überführt. Von den aktuellen finanziellen Schwierigkeiten der Waldwirtschaft mit sinkenden Holzpreisen und steigenden Lohnkosten ist auch das Emmental betroffen. Im Vordergrund stehen heute stärker die Schutz- und die Erholungsfunktion des Waldes, wobei auch Schäden durch die Freizeitnutzung und Konflikte zwischen Waldbesitzern und den verschiedenen Benutzergruppen entstehen. Die seit Jahrhunderten auftretenden Hochwasserereignisse werden in einem Längsschnitt seit dem 13. Jahrhundert analysiert. Hochwasserkatastrophen häuften sich immer wieder in unterschiedlichen Zeitspannen, besonders stark im Zeitraum zwischen 1837 und 1914. Der Einfluss der Entwaldung im 19. Jahrhundert wird jedoch relativiert, weil bei starken und über lange Zeit andauernden Niederschlägen der dämpfende Effekt des Waldbodens begrenzt ist. Auf eine Phase mit relativ kleinen Hochwassern folgte nach 1964 wieder eine Zunahme, wie auch die Ereignisse von 1997, 2005 und 2007 zeigten. Der Hochwasserschutz bleibt aber eine Daueraufgabe und wird weiterhin wichtig sein, weil in Ufernähe heute mehr Bauten und Infrastrukturen gefährdet sind. Aufgrund des Klimawandels muss mit einer Zunahme der intensiven Starkniederschläge gerechnet werden, das Auftreten der Hochwasser könnte sich zeitlich auf den Frühling und den Herbst ausdehnen.

Ein Artikel beleuchtet die Hintergründe von Gotthelfs Werk Armennoth von 1840. Der Kritiker des Verdingwesens engagierte sich stark in der Armenerziehung und war an der Gründung der Armenerziehungsanstalt Trachselwald beteiligt. Durch die Analyse umfassender Quellenbestände aus dem Staatsarchiv Bern wird deutlich, dass der Betrieb der Armenerziehungsanstalt eine grosse betriebswirtschaftliche Herausforderung war und zu einem ständigen Kampf um dringend benötigte finanzielle Mittel führte.

Einen Schwerpunkt im Jahrbuch bilden die Beiträge zu siedlungs- und wirtschaftsgeografischen Themen. Hans-Rudolf Egli zeigt in seinem Beitrag die Entwicklung der Landwirtschaftsbetriebe im Zusammenhang mit dem Strukturwandel auf und geht auf die damit verbundenen Fragen der künftigen Siedlungsentwicklung in einem ausgeprägten Streusiedlungsgebiet ein. Dabei werden auch die Unterschiede innerhalb der Region, zwischen gut erschlossenen und peripheren Standorten, deutlich. Neue Einnahmequellen bietet neben der landwirtschaftlichen Produktion der Agrotourismus. Eine Analyse zeigt aber, dass Dienstleistungen auf Bauernhöfen, wie Übernachtungen, Gastronomie und Freizeitangebote, für die Betriebe zeitaufwendig sind, saisonalen Schwankungen unterliegen und oft nur ein kleines Zusatzeinkommen ermöglichen. Der Strukturwandel hinterliess auch in der Käseindustrie Spuren. Die im 19. Jahrhundert florierende Käseherstellung wurde im 20. Jahrhundert stark durch die Agrarpolitik und Marktordnungen des Bundes und der Käseunion gesteuert, was zu Überproduktion und Absatzschwierigkeiten führte. Die Produktion des früher dominanten Emmentaler Käses ging seit den 1990er-Jahren stark zurück.

Neben der Landwirtschaft ist auch der gewerblich-industrielle Sektor im Emmental, gemessen am kantonalen Durchschnitt, stark vertreten. Im Jahrbuch werden einige Unternehmen, wie die Moser-Baer AG in Sumiswald, Herstellerin der SBB-Bahnhofsuhr, oder der Drahtseilproduzent Jakob AG Swiss Rope in Trubschachen, vorgestellt. Diese und weitere Firmen können sich mit innovativen Produkten in Nischen behaupten und weiterhin im Emmental tätig sein. Ein eigentliches regionales Innovationssystem im Emmental existiert aber nicht, die analysierten Unternehmen sind in erster Linie national und international orientiert. Das Emmental ist im Vergleich mit der Agglomeration Bern, dem Oberaargau und dem Seeland wirtschaftlich benachteiligt. Arbeitsplätze konzentrieren sich mit der verstärkten Tertiarisierung in den Zentren Burgdorf und Langnau und den gut erschlossenen Tallagen. Die Untersuchung der Pendlermobilität zeigt, dass die Pendlerbewegungen innerhalb des Emmentals, aber auch in die angrenzenden Regionen und in die Agglomeration Bern stark zugenommen haben. Ergänzt wird das Jahrbuch mit dem Beitrag über die SCL Tigers, den schweizweit bekannten, 1946 gegründeten Schlittschuhclub Langnau. Die Mannschaft erlebte die besten Zeiten in den 1970er-Jahren, gekrönt vom bisher einzigen Meistertitel 1976. In den 1980er-Jahren zeigte sich aber, dass im Zuge der Professionalisierung und Kommerzialisierung des Eishockeys Mannschaften aus Randregionen immer stärker an ihre finanziellen Grenzen gelangten. Nicht zuletzt dank dem Rückhalt des Vereins in der Bevölkerung konnte sich der Klub in der höchsten Liga etablieren und trägt so weiterhin zum Zusammenhalt in der Region bei.

Leider fehlt eine Synthese, welche die Erkenntnisse der einzelnen Beiträge aufgreift und Zusammenhänge herstellt. Insgesamt ist eine thematisch breite, mit Fotografien, Grafiken und Karten illustrierte Publikation entstanden, die dem Leser und der Leserin einen vertieften Einblick in die Region bietet und aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert.

Zitierweise:
Raphael Singeisen: Rezension zu: Bäschlin, Elisabeth; Wiedemar, Hans (Hrsg.): Emmental. (Jahrbuch der Geographischen Gesellschaft von Bern, Bd. 65). Bern: Geographische Gesellschaft 2017. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 82 Nr. 1, 2020, S. 60-62.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 82 Nr. 1, 2020, S. 60-62.

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